Dann muss man sich entscheiden“
Umjubelter Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel mahnt in Kassel zu Interessenpolitik
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 14.02.2019 10 VON TIBOR PÉZSA
Moralische Gefühle sind schön. Mein Rat ist: Lasst uns auch über Interessen reden. Sigmar Gabriel Die SPD darf sich nicht mit der Rolle des Betriebsrats der Nation zufrieden geben. Sie muss sich auch um die Erhaltung des Wohlstands bemühen. Sigmar Gabriel
Kassel – Was für ein Kontrast: Der SPD geht es so schlecht wie noch nie. Doch ihr abgesägter Ex-Chef Sigmar Gabriel, nun frei von Stress und Posten, nur noch einfacher Bundestagsabgeordneter, füllt landauf landab die Hallen, wird gefeiert wie ein Popstar, so auch an diesem Dienstagabend an der Kasseler Uni. Der große Hörsaal 1 ist schon voll, doch noch immer kommen Menschen, die Gabriel einmal selbst erleben wollen: den legendären Siggi Pop, das Polit-Kraftwerk, den Rottweiler, den MariettaSlomka-Quäler, den – wie ExKanzler Gerhard Schröder sagt – „begabtesten Politiker, den wir in der SPD haben.“
Klein, fast zerbrechlich wirkt Gabriel in dem riesigen Hörsaal, leise spricht er, frei und geschliffen. „Herausforderungen für Europa in einer unbequemen Welt“sind sein Thema. „Wird die Generation meiner Töchter noch selbst entscheiden können, wie sie leben will?“Denn anders als jenes Deutschland, in dem sich eigentlich alles stets nur zum Besseren verändert habe, gehe es jetzt in einem dramatischen Umwälzungsprozess darum, ob Deutschland auch künftig noch selbst darüber bestimmen könne, wie es leben wolle.
Natürlich, das gehört an diesem Ort wohl zur Folklore, wird Gabriel sogleich von Parolen brüllenden Rüstungs-
gegnern unterbrochen: „Deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt.“„Na endlich kommt ihr, ich hab’ schon auf euch gewartet“, flaxt Gabriel. Später wird er daran erinnern, wie der drohende Völkermord an den Jesiden durch den Islamischen Staat nur durch Waffenlieferungen an kurdische Milizen verhindert werden konnte. Auch auf die Gefahr hin, dass diese Waffen später unrechtmäßig verwendet werden könnten.
Gabriel sagt: „Moralisch gibt es keine sichere Seite auf dieser Welt. Man kann Risiken abwägen, aber dann muss man sich entscheiden.“Und zu seinen Kritikern: „Moralische Gefühle sind schön. Mein Rat ist: Lasst uns auch über Interessen reden.“
Denn zunehmend laufe die Wertschöpfung in der Welt an der deutschen Industrie vorbei. Heute finde sie extrem bei den fünf größten amerikanischen Datenkonzernen statt. Demnächst würde diese Rolle von China übernommen. Weil aber das gesamte deutsche Sozialsystem von möglichst hohen Löhnen im Land abhänge, stehe all dies zugleich mit der deutschen Export- und Innovationsfähigkeit zur Debatte.
Die USA und China, so Gabbriel treten in einen epochalen Konkurrenzkampf ein; die Welt stelle sich neu auf. Sowohl EU als auch Nato, beide einst auch deswegen gegründet, um Deutschland einzubinden, verlören an Bedeutung. Die berühmte NatoBeistandsklausel – „sind wir bereit, für die Freiheit unserer Partner zu sterben?“– stehe in Europa zunehmend in Frage. Die Amerikaner hätten daran aber in der Berlinkrise keinen Zweifel gelassen.
Die entscheidende Frage, so Gabriel wird sein: „Sind wir Europäer in der Lage, uns zwischen China und den USA zu behaupten?“Nur: „Wir sind Vegetarier in einer Welt voller Fleischfresser.“Und wenn die Briten die EU erst verlassen hätten, werde der Rest Europas zum geopolitischen Veganer, reich, zunehmend irrelevant, in zunehmender Gefahr, von anderen dominiert zu werden.
„Es wäre schon was, wenn wir anstelle der Amerikaner Verantwortung für das öffentliche Gut Sicherheit übernähmen“, sagt Gabriel. Wenn der Euro eine Konkurrenzwährung zum Dollar würde. Wenn Europa es schaffe zusammenzuhalten.
In Deutschland habe ein siebzig Jahre währender starker Ausbau von Individualrechten die Politik enorm erschwert. Was ist das für ein Land, das noch nicht mal einen Flughafen in seiner Hauptstadt gebaut kriegt? Brücken, Bahnhöfe und andere wichtige Infrastruktur könne nicht gebaut werden, weil sofort geklagt werde. Gabriel: „Andere Länder in der Welt halten uns für gaga.“
Nach Kassel gekommen ist Gabriel auf Einladung der Professoren Jochen Michaelis und Christoph Scherrer und auf Vermittlung seines Kumpels Frank Kistner, den er aus seiner Zeit bei der sozialistischen Jugend Deutschlands kennt. Doch sozialistisch wirkt an ihm nichts mehr. Der Mann, der noch vor kurzem Vizekanzler war, gibt jetzt den Mann von unten. Einer, der vor dem jubelnden Hörsaal über Politiker spottet, die auf Kritik sagen würden: „Ich nehm’ das jetzt mal so mit“. Es war sicher auch diese Lust an Spott und populistischen Versuchungen, welche Gabriel seiner SPD unheimlich werden ließ.
Ihr hält er in Kassel entgegen: „Die SPD darf sich nicht mit der Rolle des Betriebsrats der Nation zufrieden geben. Sie muss sich auch um die Erhaltung des Wohlstands bemühen.“Und für wirtschaftlichen Erfolg seien nun einmal hohe Löhne in exportorientierten Branchen wichtiger als Minilöhne in Dienstleistungsjobs. „Unser Motto wird sein müssen: Ärmel hochkrempeln“, sagt Gabriel. Hier und jetzt hören das die Leute jedenfalls gern: Riesenapplaus.
ZUR PERSON
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 14.02.2019 10
FOTO: ANDREAS FISCHER
Sigmar Gabriel (59) war von 2009 bis 2017 Vorsitzender der SPD. Der gebürtige Goslarer wurde mit 18 Sozialdemokrat. Er studierte in Göttingen Germanistik, Politik und Soziologie und wurde 1990 niedersächsischer Landtagsabgeordneter. Seit 1999 niedersächsischer Ministerpräsident, unterlag Gabriel 2003 Christian Wulff (CDU), der sein Nachfolger als Ministerpräsident wurde. Ab 2005, bis heute, errang Gabriel viermal das Bundestags-Direktmandat im Wahlkreis SalzgitterWolfenbüttel. Der Vater von drei Töchtern war Bundesumweltminister (2005-2009), Bundeswirtschaftsminister (2013-2017) sowie Bundesaußenminister und Vizekanzler (2017-2018). Obwohl SPD-Chef, überließ Gabriel zweimal die SPD-Kanzlerkandidatur anderen: 2013 Peer Steinbrück, 2017 Martin Schulz. Gabriel gehört dem in der SPD als konservativ geltenden Seeheimer Kreis an. Er lebt mit seiner Familie in Goslar. tpa
Bienenretter fordern Söder heraus
Volksbegehren in Bayern vor Erfolg – Regierungschef für runden Tisch
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 14.02.2019 11 VON WOLFGANG RIEK
FOTO: BORIS ROESSLER/DPA /DPA-TMN
Weidenkätzchen: Sie locken Bienen schon früh im Jahr.
München – Mehr Blühwiesen, weniger Pestizide, bessere Vernetzung von Biotopen, die zwischen Äckern noch übrig sind, und mehr Geld für ökologisch wirtschaftende Bauern: Über eine Million Bayern, mehr als die nötigen zehn Prozent der Wahlberechtigten, unterstützen die Forderungen der „Initiative Artenvielfalt – Rettet die Bienen!“Das meldete die Initiative schon vor Ablauf der Eintragungsfrist am gestrigen Mittwoch. Offizielle Zahlen sollten am Abend folgen.
Bei Bestätigung landet der Forderungskatalog des Bündnisses von Ökologisch-Demokratischer Partei (ÖDP), Grünen, Landesbund für Vogelschutz, Imkern, Biobauern, Naturschützern und vielen lokalen Partnern im Münchener Landtag – und zwar als Gesetzesvorlage.
Vorträge, BienenliederChöre, prominente Helfer wie Tatort-Kommissar Udo Wachtveitl und Rathauslotsen, die Leute von der Straße direkt zur Stimmurne brachten: Die Organisatoren des Volksbegehrens zogen alle Register. Die Biene steht als Sympathieträgerin für Tausende Insektenarten, die Nutzpflanzen bestäuben. Ein Erfolg der Initiative war früh klar, schon vor Toresschluss kündigte CSU-Ministerpräsident Markus Söder einen runden Tisch und ein eigenes Gesetz für mehr Natur- und Artenschutz an. Sein Slogan: „Rettet die Bienen und die Bauern!“Den habe der CSUChef sich von der Initiative geborgt, aus frühen Tagen der Kampagne, hieß es dort.
Söder unter Zugzwang: Setzt der Landtag das Volksbegehren nicht unverändert um, folgt zwingend ein Volksentscheid. Dann dürfen alle Wahlberechtigten über die Initiative abstimmen. Der Landtag kann dazu aber auch einen Alternativentwurf vorlegen – das ist der Plan des Regierungschefs, der nach dem CSU-Absturz bei der Landtagswahl im Oktober die Freien Wähler (FW) ins Koalitionsboot holte.
44 Prozent der Fläche Bayerns werden laut Bayerischem Rundfunk landwirtschaftlich genutzt. Das Volksbegehren will den ökologisch bewirtschafteten Anteil von derzeit zehn auf 30 Prozent im Jahr 2030 schrauben.
Bayerns Umweltminister Thorsten Glauber (FW) und seine Agrarkollegin Michaela Kaniber (CSU) lobten die Initiative. Wobei Kaniber aber mehr freiwilliger Naturschutz sympathischer wäre als schärfere Gesetze. Bayerns Bauernpräsident Walter Heidl hingegen fremdelt noch mit den Bienenrettern. Er sieht seine Berufskollegen zu Sündenböcken gemacht. Wie hingegen Steingärten oder Mähroboter den Artenschwund beförderten oder der dramatische Flächenverlust, davon spreche niemand.
Der ÖDP, die 2009 schon das erfolgreiche Nichtraucher-Volksbegehren anstieß, half das Bienenretter-Projekt zwar nicht in den Landtag. ÖDP-Sprecherin Agnes Becker gab sich dennoch selbstbewusst gegenüber Söder. Man sei für Gespräche offen. Aber: „Messlatte ist unser Gesetzentwurf.“Der sei schon ein Kompromiss.
Die Reform der Grundsteuer in Kürze
Wie viel Grundsteuer Sie zahlen ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Hebesätze schwanken zwischen 340 und 900 %. Damit verstoße die aktuelle Berechnung der Grundsteuer gegen das Gleichheitsprinzip. Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht am 10. April 2018 die aktuelle Berechnung der Grundsteuer als verfassungswidrig erklärt und eine Reform der Grundsteuer eingeleitet.
Bis zum 31.12.2019 muss die Berechnungsgrundlage der Grundsteuer neu geregelt werden.
Ein Gesetzesentwurf des Bundesrates für die Neubewertung des Grundstücks- und Gebäudewerts liegt bereits seit der letzten Reform im Jahre 2016 vor. Dieser soll den Einheitswert ersetzen.
Da für die Städte und Gemeinden die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen ist und bis zu 15 % des Gesamtetats ausmacht, gibt es Kritik an der geplanten Reform. Hamburg, Bayern und der Mieterbund fordern eine andere Regelung.
Ein Beschluss der Grundsteuerreform liegt seitens des Bundestages noch nicht vor. Für Immobilienbesitzer ist eins jedoch schon klar: Für die Erhebung der Grundsteuer wird eine Steuer- oder Feststellungserklärung erforderlich sein. Dass bedeutet, eine zusätzliche Steuererklärung muss abgegeben werden.
01. Februar 2019
Die Eckpunkte der Grundsteuerreform stehen!
Beim Treffen des Bundesfinanzministers mit seinen Länderkollegen in Berlin wurden heute Eckpunkte für die Reform der Grundsteuer festgelegt , bei der Berechnung der Grundsteuer werden zukünftig der Bodenrichtwert, das Alter der Gebäude und die in der Region durchschnittlichen Mietkosten als Basis genommen , diese Eckpunkte müssten nun durchgerechnet werden, sie seien die Grundlage für ein neues Modell, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz bis Ende des Jahres muss eine Neuregelung der Grundsteuer feststehen
25. Januar 2019
Medienbericht: Baujahr soll bei der Berechnung doch keine Rolle spielen .
Erste Fortschritte bei den Verhandlungen zwischen Bund und Ländern . Laut einem Bericht des „Spiegel“ zeichnet sich ein Kompromiss bei der Reform der Grundsteuer ab . Demnach wird das von Bundesfinanzminister Olaf Scholz vorgeschlagene Modell für eine wertabhängige Besteuerung vereinfacht . Neben dem Bodenrichtwert soll jetzt nur noch die Grundstücks- und Gebäudefläche für die Berechnung herangezogen werden . Die Nettokaltmiete und das Baujahr sollen bei dem Reformvorschlag keine Rolle mehr spielen .
Die Reform der Grundsteuer in Kürze
Wie viel Grundsteuer Sie zahlen ist von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich. Hebesätze schwanken zwischen 340 und 900 %. Damit verstoße die aktuelle Berechnung der Grundsteuer gegen das Gleichheitsprinzip. Aus diesem Grund hat das Bundesverfassungsgericht am 10. April 2018 die aktuelle Berechnung der Grundsteuer als verfassungswidrig erklärt und eine Reform der Grundsteuer eingeleitet.
Bis zum 31.12.2019 muss die Berechnungsgrundlage der Grundsteuer neu geregelt werden.
Ein Gesetzesentwurf des Bundesrates für die Neubewertung des Grundstücks- und Gebäudewerts liegt bereits seit der letzten Reform im Jahre 2016 vor. Dieser soll den Einheitswert ersetzen.
Da für die Städte und Gemeinden die Grundsteuer eine der wichtigsten Einnahmequellen ist und bis zu 15 % des Gesamtetats ausmacht, gibt es Kritik an der geplanten Reform. Hamburg, Bayern und der Mieterbund fordern eine andere Regelung.
Ein Beschluss der Grundsteuerreform liegt seitens des Bundestages noch nicht vor. Für Immobilienbesitzer ist eins jedoch schon klar: Für die Erhebung der Grundsteuer wird eine Steuer- oder Feststellungserklärung erforderlich sein. Dass bedeutet, eine zusätzliche Steuererklärung muss abgegeben werden.
Reform-Plan für Ausbaubeiträge
Neues Modell für die umstrittenen Straßenbau-Abgaben: Großzüge Stundung und niedrigere Zinsen
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 13.11.2018 13 Von Peter Mlodoch
Foto: privat/nh
Härten vermeiden: Bernd Lynack von der SPD.
HANNOVER. Kein gesetzliches Aus, aber ein Entgegenkommen für Grundstückseigentümer: Die umstrittenen Straßenausbaubeiträge (Strabs) in Niedersachsen sollen bleiben. Dafür wird die Stundung großzügiger gestaltet und die Zinsen gesenkt.
Auf diesen Kompromiss habensich nach Informationen unsererZeitung die Kommunalpolitikervon SPD und CDU geeinigt. Einekomplette Abschaffung, wie siedie oppositionelle FDP, aber auchTeile der Union gefordert haben,ist damit vom Tisch. Im ganzenLand kämpfen mehr als 40 Bürgerinitiativen gegen die
ungeliebten Beiträge, die oft vier-und fünfstellig, in extremen Einzelfällen auch sechsstellig ausfallen können.
Lockerung des Zinssatzes
Der Koalitionsausschuss mit den Spitzen von SPD und CDU hat sich dem Vernehmen nach ebenfalls mit dem neuen Modell beschäftigt. Die rotschwarzen Pläne sehen vor, den bisherigen starren Zinssatz bei Ratenzahlungen und Stundungen zu lockern. Jährlich sechs Prozent sind derzeit dafür an die Kommunen abzudrücken.
„Das ist doch der absolute Wahnsinn“, beklagt der Hildesheimer SPD-Landtagsabgeordnete Bernd Lynack. Künftig sollen Städte und Gemeinden nur noch einen „marktüblichen Zins“verlangen. Zwar könne man schon heute direkt bei seiner Bank ein günstigeres Darlehen aufnehmen. Doch gerade älteren Bürgern sei dieser Weg wegen verschärfter Kreditvorgaben oft versperrt, berichtet Abgeordneter Lynack. „Solche sozialen Härten wollen wir ausbügeln.“
Gestreckte Stundung
Darum geht es nach Angaben des Kommunalexperten der SPD-Fraktion auch bei einer gestreckten Stundung. Statt bisher drei bis sechs Jahre bis zur Rückzahlung sollen es künftig 20 bis 25 Jahre werden. Damit könne man als Eigentümer auch einen Teil der finanziellen Last auf seine Erben übertragen, erklärt Lynack. „Keine Rentnerin muss dann ihr kleines Häuschen verlassen.“
Von den drei kommunalen Spitzenverbänden heißt es, dass sie das neue Modell mittragen könnten. Auch die CDU-Innenexperten bevorzugen diese Lösung, auch wenn sie dies vor ihrer eigenen Fachkonferenz noch nicht offiziell bekunden mögen.
„Darauf läuft es hinaus“, raunt ein Abgeordneter der Union. Ein komplettes Aus hätte nämlich wegen des Konnexitätsprinzips zwingend Ausgleichszahlungen des Landes an die Kommunen in dreistelliger Millionenhöhe zur Folge. CDU-Finanzminister Reinhold Hilbers hat bereits mehrmals betont, dass er sich deshalb einer Abschaffung der Strabs ohne Einsparungen an anderer Stelle widersetzen werde.
Katarina Barley SPD
Musterklage durchgesetzt
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 03.11.2018 10
Mancher, der über den Fortbestand der Groko spricht, führt die Erfolge der SPD an, die es ohne Regierungsbeteiligung nicht gäbe. Etwa die Musterfeststellungsklage, mit der Verbraucherschützer jetzt für Zehntausende Dieselfahrer klagen können. Ein Verdienst der sozialdemokratischen Justizministerin Katarina Barley. Aber die 49-Jährige soll ja jetzt nach Europa. Womit man wieder über die Groko nachdenken kann. (wet)
Stadtrat schafft Ausbaubeiträge ab
Northeimer müssen bei Straßen-Grundsanierungen nicht mehr zahlen
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 27.10.2018 1
NORTHEIM. Northeimer Grundstückseigentümer müssen bei der Grunderneuerung ihrer Straßen künftig keine Ausbaubeiträge mehr zahlen. Mit großer Mehrheit hat der Stadtrat am Donnerstagabend der Abschaffung der Ausbaubeitragssatzung rückwirkend zum 1. Januar 2014 zugestimmt. Zwei Ratsmitglieder enthielten sich, sechs stimmten gegen die Abschaffung: Irnfried Rabe (FDP), Armin Töpperwien, Burkhard Ernst, Raimund Köhler (alle FUL), Achim Packeiser und Hartmut Schmidt (beide AfD).
Der Abstimmung ging eine ausführliche Debatte voraus, in der Befürworter und Gegner der Ausbaubeiträge noch einmal ihre Argumente austauschten. Der Vorschlag der Verwaltung, die Beiträge abzuschaffen, sei die Konsequenz einer Debatte, die in der Stadt seit mindestens acht Jahren geführt werde, sagte Bürgermeister Simon Hartmann. Die Abschaffung sorge für mehr Gerechtigkeit – auch, weil die Beiträge in der Vergangenheit nicht konsequent
erhoben worden seien.
Ähnlich äußerte sich Helga Jäger (CDU). Sie erinnerte daran, dass ihre Fraktion bereits 2012 einen Vorstoß des damaligen Bürgermeisters Harald Kühle zur Abschaffung der Beiträge unterstützt habe. Der neuerliche, dann aber zurückgestellte Vorstoß der CDU sei nun im Vorschlag des Bürgermeisters aufgegangen.
Jäger betonte, die Abschaffung der Ausbaubeiträge sei auch deshalb gerecht, weil die Stadt in den vergangenen Jahrzehnten ihrer Unterhaltspflicht bei den Straßen nicht nachgekommen sei.
FDP-Fraktionschef Eckhard Ilsemann betonte, die Grundstückseigentümer hätten die Straßen schon bei der Erschließung bezahlt. Anschließend seien sie an die Stadt übergeben worden, die sie nicht ausreichend unterhalten habe. Da sei es ungerecht, für die Grunderneuerungen von Straßen Beiträge zu erheben.
Als unsozial bezeichnete der SPD-Fraktionsvorsitzende Berthold Ernst die Ausbaubeiträge.
Windkraft: Landkreis setzt auf Kooperation
Ausschuss will Vertrag mit Kommunen über Vorranggebiete
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 26.10.2018 1
NORTHEIM. Der Landkreis Northeim soll im Kreisgebiet Areale ausweisen, in denen Windenergieanlagen aufgestellt werden dürfen. Außerhalb dieser Windvorranggebiete mit Ausschlusswirkung genannten Flächen sollen keine Windräder errichtet werden können. Dafür hat sich der Ausschuss für Bau, Umwelt und Regionalplanung des Kreistags in seiner Sitzung am Mittwochabend mehrheitlich ausgesprochen.
Außerdem soll Landrätin Astrid Klinkert-Kittel mit den elf Städten und Gemeinden des Landkreises über einen Kooperationsvertrag verhandeln, in dem die Steuerung der Windenergie im Landkreis geregelt wird. Der Ausschuss folgte damit dem Beschlussvorschlag der Verwaltung. Die Entscheidung des Ausschusses fiel aber mit sieben zu fünf Stimmen knapp aus. Grüne, CDU und AfD stimmten dafür, SPD und FDP dagegen. Abschließend muss das alles noch vom Kreistag in seiner Sitzung am Freitag, 7. Dezember, beschlossen werden.
SPD-Antrag abgelehnt
Abgelehnt wurde ein Antrag der SPD, die Landrätin solle zunächst beim Umweltministerium in Hannover klären, ob es nicht auch zulässig sei, im Kreisgebiet sowohl Windvorranggebiete mit als auch Vorranggebiete ohne Ausschlusswirkung festzulegen. Dann könnte der Landkreis Northeim den Städten und Gemeinden, die selbst festlegen wollen, wo in ihren Gebieten Windenergieanlagen aufgestellt werden dürfen, den dafür notwendigen Spielraum einräumen.
Die einzige Änderung des Verwaltungsvorschlags wurde auf Antrag der CDU in den Entwurf für den Kooperationsvertrag mit den Städten und Gemeinden aufgenommen. Dort sollen nun „verbindliche Absprachen“zwischen Landkreis und den Kommunen über die Vorranggebiete festgeschrieben werden. Die Verwaltung hatte nur vorgeschlagen, dass sich die Kooperationspartner miteinander abstimmen. (ows)
Kreisjugendring steht vor dem Aus
Dringend Unterstützer für Fortbestehen benötigt
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 05.10.2018 1 Von Konstantin Mennecke
NORTHEIM. Der Kreisjugendring Northeim muss aktuell alle Aufgaben, vom Materialverleih über Lobbyarbeit und das Verteilen von Fördermitteln bis hin zur Organisation des Jugendpreises, mit vier Schultern stemmen. Einen handlungsfähigen Vorstand gibt es aktuell nicht. „Damit steht unsere Zukunft auf dem Spiel“, wie Jan Mönnich im Gespräch mit der HNA sowie einer Pressemitteilung betont.
Das Kernproblem: Die Bereitschaft, sich im Kreisjugendring-Vorstand zu engagieren, ist vonseiten der Jugendringe und Jugendverbände im Kreis Northeim immer weiter zurückgegangen. „Viele engagieren sich kaum noch, andere, die seit Jahren Posten besetzen, bekommen eher unfreiwillig immer mehr dazu“, teilt Mönnich mit.
Dabei ist die Arbeit des Kreisjugendrings laut der Verantwortlichen Wolfgang Kiausch und Jan Mönnich von besonderer Bedeutung. Die Organisation versteht sich als Lobbyist, der unter anderem das Streichen von Geld für die
Jugendorganisationen erfolgreich abwehren konnte. Außerdem verteilt er die Mittel des Landkreises an Jugendverbände, bietet Literatur und Medien sowie pädagogische Spiele an und richtet den Jugendpreis aus. Alle drei Funktionen würden wegfallen, wenn „der Kreisjugendring vor die Wand gefahren wird“, sagt Mönnich der HNA. Die Tatsache, dass etliche Mitglieder des Kreisjugendrings in der Jugendarbeit in den letzten zehn Jahren „durch einen beachtlichen sechsstelligen Betrag sehr nachhaltig profitiert“haben, mache deutlich, wie groß der Verlust wäre.
„Eine solche Selbsterledigung der Interessenvertretung der Jugendverbände und Jugendringe wäre beispiellos. Solch eine Entwicklung hat es niedersachsenweit noch nirgendwo gegeben. Zehn Jahre intensive, engagierte und erfolgreiche Arbeit wären zunichtegemacht. Deshalb brauchen wir Hilfe. Jetzt“, schreibt Mönnich.
HINTERGRUND / ZUM TAGE
Auch der Jugendpreis ist betroffen
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 05.10.2018 1
Die Situation des Kreisjugendrings wirkt sich auch auf den Jugendpreis aus, und zwar schon in diesem Jahr. Es gab laut Jan Mönnich nur acht Vorschläge insgesamt, im Vorjahr war es ein Vielfaches. „Auch hier glänzen die Jugendringe und Jugendverbände durch Abwesenheit, was geeignete Vorschläge angeht“, kritisiert Mönnich. Viele Städte und Gemeinden seien überhaupt nicht vertreten. „Bezeichnend ist, dass 90 Prozent der Vorschläge aus Einbeck kommen.“
Der Jugendpreis wird deshalb in diesem Jahr nicht in der Art und Weise wie in den Vorjahren vergeben. Diese organisatorische Arbeit sei durch zwei Personen zudem gar nicht leistbar. Was mit den bis Ende September, dem Ende der Bewerbungsfrist, abgegebenen Vorschlägen passiert, das wird aktuell geprüft. (kmn)
Mit Staatshilfe zum Job
Regierung beschließt Förderung für Langzeitarbeitslose und will teilweise Lohnkosten erstatten
HNA Hessische Allgemeine (Kassel-Mitte), Deutschland 19.07.2018 16 Von Stefan Vetter
BERLIN. Nach dem Rentenpaket hat Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) ein weiteres Kernvorhaben der Großen Koalition auf den Weg gebracht. Gestern verabschiedete das Bundeskabinett seinen Gesetzentwurf zur Schaffung eines öffentlich geförderten Arbeitsmarktes für Langzeitarbeitslose.Die Beschäftigungslage sei so gut wie schon lange nicht mehr. „Allerdings profitieren nicht alle davon“, erklärte Heil. Wer schon lange vergeblich nach Arbeit suche, habe „ohne Unterstützung absehbar keine realistische Chance auf einen regulären Arbeitsplatz“. Dem soll das neue Gesetz mit Lohnkostenzuschüssen für gemeinnützige Einrichtungen, Kommunen und Unternehmen in der freien Wirtschaft abhelfen. Die Förderung solcher Jobs ist auf maximal fünf Jahre begrenzt. Mittel- und langfristiges Ziel bleibe der Übergang in eine ungeförderte Beschäftigung, heißt es in dem Entwurf. Auch heute noch gilt etwa jeder dritte Betroffene als langzeitarbeitslos. Laut Bundesagentur für Arbeit waren im Juni 818 248 erwerbsfähige Personen in Deutschland länger als ein Jahr ohne Job – rund 208 000 von ihnen sogar vier Jahre und länger.
FÖRDERUNG
Heils Gesetzentwurf richtet sich einerseits an besondere Problemfälle. Dabei geht es um erwerbsfähige Personen ab dem 25. Lebensjahr, die für mindestens sieben Jahre in den letzten acht Jahren auf Hartz IV angewiesen waren und in dieser Zeit gar nicht oder nur kurze Zeit einer Beschäftigung nachgingen. Stellt der Betrieb eine solche Person ein, erstattet ihm der Staat in den ersten beiden Jahren die Lohnkosten zu 100 Prozent. Im dritten bis fünften Jahr sinkt die Förderung schrittweise auf 70 Prozent. Um die individuelle Beschäftigung zu stabilisieren, ist eine spezielle Betreuung vorgesehen.
LEICHTER ZUM JOB
Menschen mit Vermittlungshemmnissen, die seit mindestens zwei Jahren arbeitslos sind, sollen ebenfalls leichter zu einem Job kommen, wobei die Förderung hier auf 24 Monate begrenzt ist. Im ersten Jahr bekommt der Arbeitgeber 75 Prozent der Lohnkosten erstattet und im zweiten Jahr die Hälfte der gezahlten Bezüge. Danach muss der Betroffene noch mindestens ein halbes Jahr lang weiter beschäftigt werden. Auch hier ist flankierend ein Coaching, eine spezielle Betreuung, vorgesehen.
KOSTEN
Nach der Koalitionsvereinbarung sollen 150 000 arbeitsfähige Hartz-IV-Empfänger von der Neuregelung profitieren. Zwischen 2019 und 2021 sind dafür insgesamt vier Milliarden Euro im Bundeshaushalt eingeplant.
REAKTIONEN
Die Gewerkschaften und die Linkspartei bemängelten, dass sich die Zuschüsse am Mindestlohn orientieren. Liege die ortübliche beziehungsweise tarifliche Entlohnung höher, muss der Arbeitgeber die Differenz zahlen, was dazu führen könnte, dass er keinen Langzeitarbeitslosen einstellt.
Carsten Linnemann (CDU), Fraktionsvize der Union, hält die Förderung für überzogen. Wer nach zwei Jahren nicht den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt schaffe, dem gelinge das auch nicht nach fünf Jahren. Der Arbeitsmarktexperte am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW), Karl Brenke, sagte: „Betriebe stellen nur Leute ein, die sie brauchen.“Andererseits könnten Arbeitssuchende verdrängt werden, die keinen Anspruch auf die Förderung haben.
Sozialverbände stellen sich gegen AfD
Aufruf: Wachsam sein gegen Menschen-und Lebensfeindlichkeit – Kleine Anfrage sorgt weiter für Empörung
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 23.04.2018 12
BERLIN. Sozialverbände aus ganz Deutschland haben gegen eine Anfrage von AfD-Bundestagsabgeordneten protestiert, in der eine Verbindung zwischen Behinderung, Inzest und Migration hergestellt wird. „Wir rufen die Bevölkerung auf, wachsam zu sein und sich entschlossen gegen diese unerträgliche Menschen- und Lebensfeindlichkeit zu stellen“, heißt es in einer Anzeige von 18 Organisationen, die gestern in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“erschien.
In der Kleinen Anfrage vom 23. März wollten AfD-Bundestagsabgeordnete von der Bundesregierung wissen, wie sich die Zahl der Behinderten in Deutschland seit 2012 entwickelt habe, und zwar insbesondere „durch Heirat innerhalb der Familie“. Daran schlossen sie die Frage an, wieviele dieser Fälle einen Migrationshintergrund hätten. Die Verknüpfung von Behinderung mit Inzest und Zuwanderung löste in Politik und Gesellschaft Empörung aus.
Die Anfrage erinnere damit „an die dunkelsten Zeiten der deutschen Geschichte, in denen Menschen mit Behinderung das Lebensrecht aberkannt wurde und die zu Hunderttausenden Opfer des Nationalsozialismus wurden“, erklärten die Sozialverbände. Zu den Unterzeichnern zählen neben den großen Sozialverbänden auch zahlreiche Behindertenorganisationen.
Die Bundesregierung hat die Kleine Anfrage der AfD-Abgeordneten unterdessen bereits beantwortet. „Daten zum Familienstand der Eltern von Kindern mit Behinderungen werden in der Statistik der Schwerbehinderten nicht erhoben“, erklärte das Bundesinnenministerium in Berlin. Bei mehr als 94 Prozent der schwerbehinderten Menschen handele es sich um Deutsche. (dpa)
„Jusos müssen lauter werden“
Im Wahlkampf war Kevin Kühnert Star der Jungsozialisten – jetzt war er zu Gast im nordhessischen Korbach
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 16.04.2018 14 Foto: Schilling
KORBACH. „Die Jusos müssen noch lauter werden und den Streit auf die Parteitage tragen“, ruft Kevin Kühnert – und im Saal des Korbacher Bürgerhauses brandet erneut Applaus auf: Der Bundesvorsitzende der Jungsozialisten ruft gestern bei der Bezirkskonferenz des nordhessischen SPDNachwuchses dazu auf, die Partei umfassend zu erneuern.
Von der Verzagtheit im Berliner Willy-Brandt-Haus lässt sich Kühnert nicht anstecken, das liegt nicht in seinem Naturell. Und mit seiner Forderung nach mehr sozialer Gerechtigkeit hat er gestern bei seinen Parteifreunden ein Heimspiel, sie feiern ihn.
Auf dem Weg von Bremen nach Hamburg habe Kühnert einen Ausflug nach Korbach gemacht, sagt Konferenzleiter Oliver Schmolinski ironisch. In der Hessentagsstadt 2018 ist der Berliner zum ersten Mal. „Es ist schön hier.“
Die scheidende Bezirksvorsitzende Lara Kannappel hält gerade ihren Rechenschaftsbericht, als Kühnert eintrifft und sich ohne viel Aufhebens hinten in den Saal stellt. Sie unterbricht sofort: „Ich hab’ Kevin gesehen und bin völlig aus dem Häuschen.“
Mit seiner aufsehenerregenden Kampagne gegen eine neue Große Koalition im Bund ist der 27-Jährige populär geworden. Einige Jusos nutzen gleich die Gelegenheit, um ein Handyfoto mit ihm zu machen. Kühnert spielt gelassen mit, der Medienruhm scheint ihm nicht zu Kopf gestiegen zu sein. Locker plaudert er mit seinen Genossen. Doch in seiner rhetorisch geschliffenen, frei gehaltenen Rede wird er sofort deutlich.
Als Ursache für die Wahlmiseren der vorigen Jahre macht er die Agenda-Reformen von Kanzler Gerhard Schröder aus, gerade die Hartz-Gesetze. Mit ihnen habe die SPD vielen „ihr Leben jeden Tag schwieriger gemacht“– statt leichter, wie einst das Ziel gelautet habe. Die derzeit sechs Millionen Betroffenen litten unter „vielen kleinen Gemeinheiten“und der Bürokratie.
Die SPD habe ihr Versprechen nicht mehr eingehalten, für einen „vorsorgenden Sozialstaat“zu sorgen. Sie müsse dieses Versprechen wieder einlösen und wieder allen die Chance auf gesellschaftliche Teilhabe geben. Dazu sei eines erforderlich: „Wir werden der Partei eine Debatte über eine gerechtere Vermögensverteilung aufzwingen.“Immer wieder gibt es kräftigen Applaus.
Nach der Kampagne gegen eine Große Koalition seien die Jusos ein „stärkerer politischer Faktor in der Mutterpartei“geworden, stellt Kühnert fest, „und wir werden fordernd bleiben.“Sein Appell: „Lasst uns vor Ort vormachen, wie wir uns Erneuerung vorstellen.“Aber sie werde Monate dauern: „Wir müssen es seriös machen und uns Zeit nehmen, um nachzudenken und zu diskutieren.“Doch eins sei klar: Die Jusos müssten bei der Überwindung der Agenda eine zentrale Rolle spielen: „Wir können unverbraucht und unbelastet drangehen.“Der neue Fürs Album: Der neue Juso-Bezirksvorsitzende René Petzold (links) und Vorgängerin Lara Kannappel mit Kevin Kühnert. Juso-Bezirksvorsitzende René Petzold ruft in den Saal: „Wir müssen fehlende Glaubwürdigkeit zurückgewinnen – Kevin, bleib stark.“
Karlsruhe kippt Einheitswerte Wer bei der Grundsteuerreform verliert
Von Hannes Vogel
Die Verfassungsrichter haben gesprochen: Die Politik muss die völlig veraltete Grundsteuer reformieren. Angeblich will der Staat Hausbesitzern insgesamt keine Steuererhöhung zumuten. Einigen wird er wohl doch tiefer in die Tasche greifen.
Jedes Jahr, wenn die Mieter der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Degewo an der Bernauer Straße ihre Betriebskostenabrechnung bekommen, werden sie neidisch auf ihre Nachbarn. Ihre alten Plattenbauten aus den 60er Jahren liegen im Brunnenviertel nördlich der Bernauer Straße, im ehemaligen Westteil der Stadt. Die Besitzer der schicken Eigentumswohnungen im Martashof oder im Swin112 freuen sich dagegen. Ihre Luxus-Apartments liegen auf der anderen Straßenseite, südlich der Bernauer Straße, im ehemaligen Berliner Osten. Und obwohl nur ein Steinwurf sie voneinander trennt, zahlen die Mieter in den alten Plattenbauten mehr Grundsteuer als die Penthaus-Besitzer im ehemaligen Osten.
So wie an der Bernauer Straße ist es in ganz Deutschland. Das Finanzamt berechnet die Grundsteuer anhand einer völlig veralteten Bemessungsgrundlage: Grundstückswerte, die im Westen seit 1964 nicht mehr angepasst wurden und im Osten sogar seit 1935 unverändert gelten. Die Zahlen aus der Nazi-Zeit wurden wegen des Krieges im Westen nur einmal aktualisiert, im Osten gar nicht. In den meisten Fällen haben sie nichts mehr mit den heutigen Grundstückswerten zu tun.
Weil sich die Immobilienpreise in mehr als 80 Jahren in vielen Städten völlig unterschiedlich entwickelt haben, gibt es nicht nur in Berlin groteske Verzerrungen: Villenbewohner auf dem platten Land zahlen im Zweifel verhältnismäßig weniger Grundsteuer als Mieter in großstädtischen Mietskasernen. Und Häuslebauer müssen im Hamburger Speckgürtel im Schnitt weniger berappen als am Stadtrand von Frankfurt/Main.
Fast 20 Jahre hat die Politik eine Reform verschleppt, obwohl der Bundesfinanzhof sie angemahnt hatte. Das Bundesverfassungsgericht hat die Berechnungsgrundlage der Steuer nun gekippt, weil sie zu „gravierenden Ungleichbehandlungen“ von Immobilienbesitzern führt. Gerade mal bis Ende 2019 hat die Politik nun Zeit, die Grundsteuer zu reformieren – oder die Finanzämter dürfen sie nicht mehr erheben.
Verteilungskampf alle gegen alle
35 Millionen Grundstücke betroffen Karlsruhe moniert Bemessung der Grundsteuer
Die Karlsruher Richter haben mit ihrem Urteil die Büchse der Pandora geöffnet. Denn egal welches Modell herauskommt: Wenn Jahrzehnte alte Grundstückswerte aktualisiert werden, wird es zwangsläufig neue Verzerrungen geben. Alle Bürgermeister werden sich streiten: Die Grundsteuer ist ihre wichtigste Finanzquelle – und je nachdem wie stark die Immobilienpreise in ihrer Stadt gestiegen oder gefallen sind, werden sie die Steuersätze heben oder senken wollen. Millionen Menschen in den Metropolen, die schon jetzt unter hohen Mieten ächzen, droht eine weitere Kostenexplosion, weil dort die Preise am stärksten geklettert sind. Und Häuslebauer, deren Steuerlast steigt, dürften ebenfalls rebellieren.
Wegen des drohenden Gezerres verteilt die Politik Beruhigungspillen. „Aufkommensneutral“ soll die Reform werden: „Einnahmeerhöhungen bei einer Grundsteuerreform sind nicht beabsichtigt“, beteuert etwa die Unionsfraktion. Man darf daran zweifeln, ob der Fiskus sich die Gelegenheit wirklich entgehen lässt. Der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Joachim Lang, warnt bereits vor einer „Steuererhöhung durch die Hintertür“. Und selbst wenn der Staat allen Hausbesitzern insgesamt nicht noch mehr abknöpft als bisher: Den Immobilienbesitzern, die mehr zahlen müssen, nützt das herzlich wenig.
Das Kernproblem der Grundsteuer ist ihre unklare Bemessungsgrundlage: Der Wert von Grundstücken liegt im Auge des Betrachters. Und nur beim Verkauf fließt Geld, an dem man ihn wirklich messen kann. Einheitliche Börsenkurse wie bei Aktien gibt es nicht. Was also ist ein Stück Land wert? Soviel wie der Durchschnittspreis aller Flächen in der Umgebung? Soviel wie der Höchstpreis, den jemand zu zahlen bereit ist? Oder den Preis, den ein Gutachter festlegt? Sollte der Wert des Hauses, das darauf steht, berücksichtigt werden? Falls ja, sind neue Häuser mehr wert als alte? Und wie setzt man ihren Wert fest?
Umweltfreundliche Neubauten werden bestraft
Auf all diese Fragen muss die Politik nun bis Ende nächsten Jahres Antworten finden. Und je nachdem, wie sie lauten, werden einige Immobilienbesitzer gewinnen und andere verlieren. Auf dem Tisch liegt ein Entwurf der Länder: Danach sollen unbebaute Grundstücke künftig mit dem sogenannten Bodenrichtwert bemessen werden, den durchschnittlichen Verkaufspreisen einer Region. Bei bebauten Grundstücken wird zusätzlich der Gebäudewert ermittelt, indem die Fläche der Häuser mit den pauschalen Baupreisen multipliziert wird, die das statistische Bundesamt erhebt. Die Werte sollen dann alle sechs Jahre aktualisiert werden, so wie 1935 eigentlich geplant.
Das Modell würde nicht nur großen bürokratischen Aufwand und reichlich Streit mit den Finanzämtern erzeugen, wenn Millionen Hausbesitzer ihre Wintergärten, Dachterrassen, Spitzböden und Kriechkeller von der Steuer abzusetzen versuchen. Es teilt Immobilien willkürlich nach Alter ein: Besitzer von Neubauten (ab 2005) müssten mehr Steuern zahlen als Eigentümer von Altbauten (vor 1995), weil bei ihren Gebäuden höhere Baupreise angesetzt werden. Damit würden ausgerechnet Immobilienbesitzer bestraft, die energiesparenden, neuen Wohnraum schaffen, der vor allem in den Städten dringend benötigt wird – ein fataler Fehlanreiz.
Karlsruhe könnte Grundsteuer kippen
Ein weiterer Vorschlag, den unter anderem das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft Köln und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung favorisieren, lautet daher, die Gebäudebewertung wegzulassen und Grundstücke nur mit dem Bodenrichtwert zu taxieren, egal welche Häuser darauf stehen. Das wäre zwar viel weniger aufwändig, würde Besitzern großer Flächen aber massive Steuergeschenke auf Kosten von kleinen Häuslebauern bescheren.
Womöglich scheitert die Reform schon am Zeitdruck: Laut dem Urteil muss die neue Grundsteuer nicht nur bis Ende 2019 verabschiedet, sondern bis spätestens Ende 2024 auch umgesetzt sein. Ifo-Chef Clemens Fuest geht aber davon aus, dass die bisher geplante Ermittlung der Marktwerte vermutlich zehn Jahre dauern wird. Angesichts der knappen Übergangsfrist von fünf Jahren bezeichnet auch Finanzminister Olaf Scholz die Vorgaben der Karlsruher Richter als „sehr ambitioniert“. Womöglich löst sich der schwelende Nachbarschaftskonflikt an der Bernauer Straße in Berlin und anderswo in Deutschland also auch von selbst.
Was auch mal gesagt werden sollte:
Der ehemalige SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück sieht seine Partei in einem verheerenden Zustand und wirft den Sozialdemokraten vor, sich in einer „Vielfaltseuphorie“ von den Alltagssorgen in der Bevölkerung entkoppelt zu haben. „Die Partei hat zum dritten Mal hintereinander die Bundestagswahl krachend verloren. Sie ist nicht mehr auf der Höhe der Zeit“, sagte Steinbrück in einem Gespräch mit dem SPIEGEL.
Vor allem beim Thema Integration lasse sich die SPD „von einer ehrenwerten Gesinnung den Blick auf Realitäten trüben“, kritisierte der Sozialdemokrat. Seine Partei müsse sich fragen, „ob das Pendel in den vergangenen Jahren nicht zu weit in Richtung einer Vielfaltseuphorie und eines gehypten Multikulturalismus ausgeschlagen ist“, so Steinbrück. „Wie die Sozialisten in Frankreich ist auch die SPD in Gefahr, sich mehr um Antidiskriminierungspolitik und Lifestyle-Themen zu kümmern und darüber die Befindlichkeiten der Mehrheitsgesellschaft außer Acht zu lassen.“
Steinbrück rief die SPD zu einer strategischen Umkehr auf. Er ermahnte die Sozialdemokraten, die „Verdrängung Einheimischer und die Homogenisierung von Stadtquartieren“ sowie den Verfall von Alltagskultur stärker zu thematisieren. Auch einer Debatte über die deutsche Leitkultur dürfe sich seine Partei nicht länger verweigern. Eine spezifisch deutsche Kultur abzustreiten sei „fatal“, sagte Steinbrück, „weil es dem unsäglichen Vorurteil Vorschub leistet, die SPD habe ein gestörtes Verhältnis zum nationalen Erbe“.
Der Ex-Kanzlerkandidat, der in der kommenden Woche sein neues Buch vorstellen wird, rechnete zudem mit dem zurückliegenden Wahlkampf der SPD ab. Das Angebot der Partei habe „wie ein Sommerschlussverkauf“ gewirkt, so Steinbrück: „Ich hatte manchmal den Eindruck, dass Martin Schulz hinter der Flut der Sachaussagen buchstäblich verschwand.“
Er forderte eine radikale Reform des Willy-Brandt-Hauses. „Die Mitarbeiter dort leben zu sehr in den Fotoalben vergangener Jahrzehnte“, kritisierte Steinbrück. Die SPD-Zentrale sei zu einem „großen Echoraum“ geworden. Mit Blick auf die CDU-Konkurrenz fügte er hinzu: „Das Konrad-Adenauer-Haus ist erkennbar besser aufgestellt.“
Steinbrück hatte die SPD 2013 als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf geführt. Bei der Wahl kam die Partei auf 25,7 Prozent und landete weit abgeschlagen hinter der Union.
Sozialdemokraten setzen auf Vorstand
SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmer zieht positive Jahresbilanz und bestätigt Vorstand
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 09.01.2018 5 Foto: privat/nh
NORTHEIM. Bei der Unterbezirkskonferenz der SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen ( AfA) standen neben einem Rechenschaftsbericht des Vorsitzenden KarlFriedrich Probst auch die Vorstandswahlen der Arbeitsgemeinschaft auf der Tagesordnung.
Die Arbeit des bisherigen Vorstandes wurde von den Versammlungsteilnehmern mit der Wiederwahl aller Mitglieder des Vorstandes honoriert.
In seinem Bericht ließ Probst noch einmal das vergangene Jahr Revue passieren. Themen wie TTIP, die Pflegekammer, Flüchtlinge, sowie die Programme „Gute Arbeit“und „Arbeit 4.0“wurden demnach im Berichtszeitraum heftig diskutiert. Die ausgearbeiteten Anträge dazu seien in die weiterführenden Gliederungen hineingetragen worden.
Die AfA befasst sich mit sämtlichen Themen, die Arbeitnehmer interessieren, wie die Rentenpolitik, Aus- und Weiterbildung, die Digitalisierung, die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Dazu sind alle SPD-Mitglieder, aber auch interessierte Nicht-Mitglieder zur Mitarbeit eingeladen. (mzi)
Rekord beim Empfang
Heiligenstadt: Forderung nach menschlicheren Umgangsformen im Landtag
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 09.01.2018 2
Foto: Eriksen
Gute Unterhaltung: Die Teilnehmerinnen am 26. Neujahrsempfang der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen AsF applaudieren Sängerin Isabel und Gitarrist Peter Slawik. In der ersten Reihe sitzen Brigitte Kraus, Frauke Heiligenstadt, Landrätin Astrid Klinkert-Kittel und Sylvia Vann (von rechts). Auch der linke Teil des Bürgersaals war brechend voll.
NORTHEIM. Die mitgebrachten 20 Klappstühle reichten so gerade eben, damit jede Teilnehmerin und die wenigen männlichen Teilnehmer am Neujahrsempfang der Arbeitsgemeinschaft sozialdemokratischer Frauen (AsF) einen Sitzplatz im Northeimer Bürgersaal bekamen.
Ein neuer Besucherrekord, wie Simon Hartmann feststellte. Der Vorsitzende der SPDKreistagsfraktion stellte sich kurz als Kandidat für die Wahl eines neuen Bürgermeisters für Northeim vor, die am 25. Februar stattfindet. Brigitte Kraus, langjährige kommissarische Leiterin der AsF, rief die Besucherinnen auf, sich nicht von Vorurteilen, groben Umgangsformen, auch im Internet, und anonymen Schreiben in ihrem Wirken beeinträchtigen zu lassen.
Forderung: Menschlichkeit
„Durch die Wahl von Gabriele Andretta zur Niedersächsischen Landtagspräsidentin erwarte ich, dass die Umgangsformen im Landtag menschlicher werden. Von 2013 bis 2017 wurden die Debatten oft ins Persönliche gezogen, davon kann ich selbst ein Lied singen“, sagte Frauke Heiligenstadt, wiedergewähltes Mitglied des Landtages. Die fast tägliche öffentliche Kritik an ihrer Arbeit als Kultusministerin habe sie ertragen, weil sie von ihren Zielsetzungen überzeugt war.
In der neuen Koalitionsregierung mit der CDU ist Heiligenstadt finanzpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion. Als die fünf größten Aufgaben der neuen Legislaturperiode nannte die in Gillersheim beheimatete Politikerin die Befreiung von Elternbeiträgen zur Kinderbetreuung, tausend neue Lehrerstellen, wodurch einige befristete Stellen entfristet werden können, 750 zusätzliche Stellen für die Polizei, die Schaffung eines Sondervermögens für Digitalisierung und eines für Krankenhausrenovierungen und -neubauten.
Im März 2017 gründete sich die AsF Northeim-Einbeck neu. Die Vorsitzende Sylvia Vann stellte sich den Teilnehmerinnen auf dem 26. Neujahrsempfang vor und betonte, dass die Gleichstellung zwischen Mann und Frau noch lange nicht erreicht sei. Sie bedauerte, dass die Zahl der weiblichen Abgeordneten sowohl im Landtag als auch im Bundestag rückläufig sei. Hier gelte es, gegenzusteuern.
Bevor sich die Teilnehmerinnen die von mehreren Frauen hergestellten Häppchen munden ließen, lauschten sie gebannt den musikalischen Darbietungen des Hammenstedters Peter Slawik und seiner Tochter Isabel. (zäl)
Mehr Rentner versorgen sich bei Tafeln
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 22.12.2017 9
BERLIN. Deutlich mehr Rentner in Deutschland als früher beziehen kostenlose Lebensmittel von den Tafeln. Laut Bundesverband der Tafeln hat sich ihre Zahl innerhalb von zehn Jahren verdoppelt. „Fast jeder vierte Tafelkunde ist mittlerweile Rentner. Das sind etwa 350 000 Menschen“, sagte der Verbandsvorsitzende Jochen Brühl der Neuen Osnabrücker Zeitung. 2007 hätten Senioren nur zwölf Prozent der Bedürftigen ausgemacht.
Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Ulrike Mascher, nannte dies „ein deutlich sichtbares Signal“dafür, dass die Altersarmut auf dem Vormarsch sei. Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte eine grundlegende Reform der Alterssicherung.
Nach Angaben des Dachverbands gibt es deutschlandweit mehr als 900 Tafeln, die regelmäßig bis zu 1,5 Millionen Menschen mit Lebensmitteln versorgen. (dpa)
Eine zögerliche Wende
EU setzt auf grünen Strom und Biosprit – Kritikern gehen Beschlüsse nicht weit genug
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 20.12.2017 10 Foto: dpa
Kommt jetzt die Energiewende für Europa? Vor einem Jahr legte die EU-Kommission ein Paket zur umweltfreundlicheren Energieversorgung bis 2030 vor. Jetzt haben die Mitgliedsländer in der Nacht zum Dienstag einen Durchbruch erreicht. Sie wollen verstärkt auf erneuerbare Energien setzen. Aber auch der Verbraucher soll Möglichkeiten bekommen, auf billigen Strom zuzugreifen. Was wurde genau beschlossen?
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Baut die EU jetzt endlich mehr auf regenerative Energiequellen?
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Ja. Bis 2030 soll der Anteil der Energie, die aus erneuerbaren Quellen stammt, auf 27 Prozent gesteigert werden. Ende 2016 lag die Union bei 16,9 Prozent, bis 2020 sollen 20 Prozent erreicht sein. Allerdings betrug der Zuwachs im Vorjahr lediglich 0,2 Prozent, er verlangsamte sich immer mehr.
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Wie will Brüssel das in den Griff bekommen?
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Die Vertreter der Mitgliedstaaten haben vereinbart, dass der Anteil der grünen Energie am Gesamtverbrauch ab 2020 um jährlich ein Prozent steigen muss. Damit sollen die Bemühungen intensiviert werden.
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Betrifft das auch den Verkehr?
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Hier will die EU vor allem Biotreibstoffe der zweiten Generation fördern – ihr Anteil am Gesamtverbrauch soll bis 2030 mindestens drei Prozent betragen. Dieser Sprit wird nicht mehr aus Getreide und Früchten gewonnen, sondern aus Stroh und Abfällen. In 13 Jahren sollen mindestens 14 Prozent der gesamten Kraftstoffe aus biologischen Quellen stammen – vier Prozent mehr als für 2020 vereinbart wurde.
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Was hat der Verbraucher davon? Eckpunkte für Energiewende stehen: Die EU-Staaten haben sich auf einen Kompromiss bis 2030 geeinigt. !
Die Mitgliedstaaten zwingen die Energieversorger, künftig „dynamische“Tarifmodelle anzubieten. Der Verbraucher kann seine Energiekosten dann drücken, wenn er Elektrizität zu Zeiten nutzt, in denen besonders viel verfügbar ist.
Das würde so funktionieren: Voraussetzung ist ein sogenannter Smart-Meter, der den Verbrauch in Echtzeit erfasst und steuert. Der Kunde schaltet seine Waschmaschine oder seinen Geschirrspüler zwar ein, der Smart-Meter überprüft den verfügbaren Strom und lässt den Betrieb des Gerätes erst dann zu, wenn genügend regenerative Energie im Netz verfügbar ist. ?
Ist das jetzt schon beschlossene Sache?
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Nein, dies ist das Angebot der Mitgliedstaaten. Doch es muss erst noch von den Abgeordneten des Europäischen Parlamentes gebilligt werden. Es ist bekannt, dass die Volksvertretung deutlich höhere Ziele erreichen will. So haben sich etliche Parlamentarier bereits dafür ausgesprochen, den Anteil erneuerbarer Energien nicht nur auf 27, sondern auf 30 Prozent bis 2030 hochzusetzen. Das erscheint einigen Mitgliedstaaten, die derzeit noch wenig regenerative Quellen nutzen, aber zu viel zu sein.
Was bedeuten diese EUVorgaben denn für die einzelnen EU-Länder?
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Dieser Schritt steht noch aus, wird aber wohl die eigentliche Herausforderung. Denn Brüssel muss aus der pauschalen EU-Zielvorgabe nun die Anteile der Mitgliedstaaten herausrechnen. Deutschland steht bei dieser Rechnung ganz gut da und muss wohl kaum zusätzliche Anstrengungen unternehmen. Andere Länder wie etwa Polen brauchen dagegen eine echte Energiewende, um die angepeilten Werte überhaupt zu schaffen.
KOMMENTAR
Ambitionierte Ziele sehen anders aus. Das Angebot der Mitgliedstaaten für eine Energiewende in Europa beinhaltet zwar Steigerungen für Strom aus erneuerbaren Quellen. Das war es aber auch schon.
Übersetzt bedeutet der Beschluss nämlich nur, dass bis zum Jahr 2030 jedes Jahr ein Prozent mehr Strom aus Wind, Sonne, Wasser oder Anbaubiomasse gewonnen werden muss. Das ist zu wenig, um den Herausforderungen des Klimaschutzes zu genügen.
Die Unterhändler der Mitgliedstaaten sind zwar einigermaßen zufrieden mit sich, weil es ihnen gelungen ist, eine Brücke zwischen jenen Staaten zu schlagen, die schon heute reichlich grüne Energie nutzen, und jenen, in denen Kohle und andere fossile Quellen immer noch vorherrschen. Letztere wissen nämlich, dass mit der Energiewende milliardenschwere Investitionen auf sie zukommen. Schließlich haben sie mit der deutschen Energiewende ein praktisches Modell vor der eigenen Haustüre.
Aber eben auch ein abschreckendes. Denn die Zahlen zeigen, dass die Bundesbürger und die hiesigen Unternehmen die höchsten Kosten für Energie bezahlen. Zuschläge für erneuerbare Energien treiben die Preise in die Höhe. Das können nicht alle Länder ihrer Wirtschaft und ihren Bürgern zumuten.
Und so ist die nächtliche Einigung von Brüssel eben nur ein erster Kompromiss. Wirklich Ziele sehen ganz anders aus.
Automatisch etwas mehr
Drei Fraktionen im Bundestag wollen Abgeordneten-Diäten weiter an Löhne koppeln
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 13.12.2017 9 Foto: dpa
Wenn Politiker mehr Geld bekommen, geht zuverlässig eine Welle der Empörung durch das Land. Wenn noch dazu die Bildung einer Regierung an taktischen Scharmützeln scheitert und viele Abgeordnete sich zu Recht vorwerfen lassen müssen, Parteiinteressen vor die des Landes zu stellen, kochen die Emotionen noch mehr hoch.
Aber gemach: Union, SPD und FDP wollen lediglich eine bereits in der vergangenen Legislaturperiode beschlossene Regelung weiterführen, nach der sich die Diäten automatisch an die allgemeine Lohnerhöhung anpassen. Das ist vor dem Hintergrund der politischen Lähmung unsensibel, aber ein Skandal ist es nicht.
Das Parlament genehmigt sich keineswegs klammheimlich und hinter dem Rücken der Bürger mehr Geld, wie es der Bund der Steuerzahler behauptet. Es befolgt ein Gesetz.
Ein Gesetz allerdings, das angesichts der deutlich höheren Zahl von Abgeordneten und vor dem Hintergrund, dass sonst niemand automatisch mehr Geld bekommt, dringend überdacht werden sollte. Aber bitte mit der gebotenen Sachlichkeit und ohne Benzin ins Feuer zu gießen. Die Abgeordneten-Diäten steigen mit den Löhnen: Die Fraktionen von SPD, Union und FDP wollen diese Regelungen auch in der neuen Legislaturperiode beibehalten. BERLIN. Die Verhandlungen über eine Regierungsbildung ziehen sich hin, doch in einem Punkt sind sich Union, Sozialdemokraten und Liberale einig: Die automatische Anpassung der Abgeordneten-Diäten soll beibehalten werden, formulierten sie in einem Antrag, der heute im Parlament beraten werden soll.
Zuletzt wurden die Abgeordnetenentschädigungen, wie die Diäten offiziell heißen, zum 1. Juli um 214,51 Euro auf 9541,72 Euro brutto erhöht – und zwar nach einer Methode, die der damalige Bundespräsident Joachim Gauck 2014 gebilligt hatte. Danach steigen sie im selben Maße wie die Nominallöhne. Deren Index berechnet das Statistische Bundesamt.
Erstmals wurden die Diäten im Juli vergangenen Jahres nach diesem Index angepasst. Zuvor musste der Bundestag über die Erhöhungen abstimmen. Weil die Parlamentarier ihr Gehalt selbst bestimmten, wurde ihnen in der Öffentlichkeit immer wieder Selbstbedienungsmentalität vorgeworfen. Die automatische Anpassung sollte dieses Gezerre beenden, stößt jedoch nicht nur auf Gegenliebe: Ihre Kritiker vermissen die Transparenz des Verfahrens, von dem die Öffentlichkeit kaum noch etwas mitbekommt.
Dass die Abgeordneten über Geld sprechen, noch bevor klar ist, wer in welcher Konstellation regiert, ist nachvollziehbar: Nach dem Abgeordnetengesetz muss der neue Bundestag das Anpassungsverfahren innerhalb von drei Monaten nach seiner konstituierenden Sitzung beschließen, andernfalls werden die Diäten erst einmal eingefroren.
Abgeordnete müssen ihr Parlamentarierleben allerdings nicht nur von den Diäten – die sie wie Arbeitslohn versteuern – bestreiten. Ihnen steht zusätzlich nach Angaben des Deutschen Bundestages eine steuerfreie Kostenpauschale für Aufwendungen im Rahmen ihres Mandats zu. Dazu gehören etwa Ausgaben für ein Wahlkreisbüro oder eine Zweitwohnung. Aktuell beträgt die Pauschale 4318,38 Euro. Mehr Geld für den Aufwand gibt es nicht, ob die Pauschale vollständig verbraucht wird, oder ob etwas übrig bleibt, kontrolliert allerdings auch niemand. Zudem dürfen Abgeordnete bis zu 20 870 Euro im Monat für Mitarbeiter ausgeben, die Bundestagsverwaltung rechnet ab.
Für bis zu 12 000 Euro im Jahr kann zudem Büroausstattung gekauft werden. Bestellt wird über die Bundestagsverwaltung, die vor einigen Jahren durch das Shopping-Gebaren von 115 Parlamentariern in die Bredouille geriet: Sie hatten sich auf Staatskosten edle Montblanc-Füller für fast 70 000 Euro gegönnt.
Parteitag in HannoverNiedersachsen-SPD stimmt Koalitionsvertrag mit CDU zu
Geschafft: Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil nimmt beim SPD-Parteitag Glückwünsche entgegen. Foto: Julian Stratenschulte Foto: dpa
Hannover – Mit großer Mehrheit hat der Parteitag der niedersächsischen SPD der Koalitionsvereinbarung mit der CDU zugestimmt. Damit rückt die Große Koalition im Land ein weiteres Stück näher.
„Ich empfinde dieses Ergebnis als Vertrauensvorschuss“, sagte der SPD-Landeschef und Ministerpräsident Stephan Weil am Samstag in Hannover nach der Abstimmung. Am kommenden Montag muss nun noch der kleine Parteitag der CDU sein Ja zu dem Vertag geben. Die Wahl des Ministerpräsidenten ist für Mittwoch geplant.
Weil erinnerte daran, wo die SPD bei ihrem letzten Parteitag Anfang September vor der Landtagswahl stand. Es seien schwarze Zeiten gewesen für die Sozialdemokraten, dann folgte noch das miserable Ergebnis bei der Bundestagswahl. „Die Art und Weise, wie die SPD in Niedersachsen am Montag nach der Bundestagswahl aufgestanden ist, marschiert ist, das fand ich sehr eindrucksvoll. Andere hätten da die Flinte ins Korn geworfen – wir nicht“, rief Weil unter Applaus den Delegierten zu.
Bei der Landtagswahl am 15. Oktober hatte die SPD zwar gesiegt, es reichte aber nicht für eine Fortführung der rot-grünen Koalition. Da die FDP sich gegen eine Ampel-Koalition sperrte und die Grünen ein Jamaika-Bündnis ablehnten, blieb am Ende nur die Große Koalition.
Aus Sicht des niedersächsischen SPD-Landeschefs haben sich die Sozialdemokraten in dem 138-seitigen Koalitionspapier in den wichtigsten Punkten durchgesetzt. „Eine Politikwende findet nicht statt. Es wird keinen Rollback in der Flüchtlings- und Bildungspolitik geben“, sagte Weil.
Der Ministerpräsident und CDU-Landeschef Bernd Althusmann hatten sich am Donnerstag auf den Vertrag geeinigt. Vorgesehen ist unter anderem, 1000 neue Lehrer einzustellen, die Kita-Gebühren ab kommendem Sommer abzuschaffen und das Tempo bei der Inklusion an Schulen zu drosseln. Außerdem sollen 1500 neue Stellen bei der Polizei geschaffen werden. Auf dem Parteitag verteidigte Weil das Zusammengehen mit der CDU als einzig machbare Option.
Südniedersachsen ohne Stimme im Kabinett
SPD und CDU haben sich auf große Koalition geeinigt
HNA Northeimer Neueste Nachrichten, Deutschland 17.11.2017 1
VON PETER MLODOCH
HANNOVER. Die große Koalition steht. SPD und CDU wollen Niedersachsen in den nächsten fünf Jahren gemeinsam regieren. 1000 zusätzliche Lehrer, bis zu 3000 neue Stellen bei der Polizei und kostenfreie Kindergärten gehören zu den ersten Vorhaben, die das unter Leitung von SPDMinisterpräsident Stephan Weil und CDU-Chef Bernd Althusmann geschmiedete Bündnis umsetzen will. „Das ist eine große Koalition der Vernunft“, lobte Weil das Ergebnis.
Nach Abschluss der zweiwöchigen Verhandlungen am Donnerstag in Hannover versprachen beide Delegationsleiter auch einen „Schulfrieden“ohne neue Strukturdebatten. Als Kompromiss beim Streitthema Inklusion vereinbarten sie, dass die Förderschulen Lernen, deren Aus Rot-Grün eingeleitet hatte, auf Antrag der Schulträgerweiterlaufen können.
Dem neuen Kabinett, das um einen Posten erweitert wird, sollen neben Regierungschef Weil jeweils fünf Minister der beiden
Parteien angehören: Althusmann bekommt das um das Feld Digitales erweiterte Wirtschaftsministerium; die CDU besetzt außerdem die Ressorts für Finanzen, Landwirtschaft, Wissenschaft und Justiz.
Inneres, Soziales und das neu geschaffene Europaressort gehen an die SPD. Deren früherer Parlamentsgeschäftsführer Grant Hendrik Tonne übernimmt als Nachfolger der glücklosen Ministerin Frauke Heiligenstadt das Kultusressort.
Während der Süden bei den Personalien leer ausgeht, soll die finanzielle Hilfe weiter fließen. „Das Förderprogramm für Südniedersachsen wird fortgesetzt“, sagte CDUGeneralsekretär Ulf Thiele unserer Zeitung. Ob es wieder die Summe von 100 Millionen Euro erreicht, sei aber offen. Dies müsse erst vom Haushalt abgedeckt werden. Das Göttinger Außenbüro des Amtes für Regionalentwicklung bleibe jedenfalls bestehen.
Koalitionsvereinbarung 2017 SPD/CDU Niedersachsen als PDF download groko230
12.05.2017
HNA 21.03.2017