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AfA diskutiert Bedingungsloses Grundeinkommen

Im Zuge der innerparteilichen Anstrengungen zur Neuausrichtung der SPD werden zur Zeit auch neue Modelle eines Sozialstaates unter die Lupe genommen.

So diskutierte die AfA im UB Northeim-Einbeck in ihrer letzten Sitzung die Idee eines bedingungslosen Grundeinkommens. Susanne Kosiolek-Sakuth, Mitglied im Vorstand der AfA referierte über die Grundlagen und Modelle eines BGE und griff dabei auf die Veröffentlichungen im Netzwerk Bedingungsloses Grundeinkommen zurück.

Im Unterschied zum Solidarischen Grundeinkommen, bei dem Bedürftige wahlweise Transferleistungen gezahlt bekommen oder eine sozialversicherungspflichtige (gemeinnützige) Arbeitsstelle in Anspruch nehmen können, würde ein bedingungsloses Grundeinkommen eben ohne Bedingungen wie Bedürftigkeit oder eine Arbeitsleistung an jeden gezahlt., so Kosiolek-Sakuth. Der individuelle Rechtsanspruch würde Existenz und gesellschaftliche Teilhabe sichern.

Die dabei auftretende Frage, ob ein Grundeinkommen nicht an Leistung geknüpft sein müsse, impliziere die Annahme, dass jemand, der nichts leistet, auch nichts „wert“ sei. Dies ist jedoch ein eklatanter Verstoß gegen das Grundgesetz, das die Würde des Menschen als unantastbar definiert. Dazu müssten „Leistung“ und „Nützlichkeit“ objektiv messbar sein. Aber was ist dann z.B. mit unentgeltlicher Arbeit in der Betreuung von Kindern oder der Pflege von Angehörigen? Die von Kritikern des BGE geäußerte Unterstellung, ein BGE würde dazu führen, dass niemand mehr arbeiten würde, wird von den Zuhörern einstimmig zurückgewiesen., denn Arbeit würde auch bei Anspruch auf ein BGE nicht nur ein deutlich höheres Einkommen erbringen, sondern wird auch jetzt schon – siehe Ehrenamt – aus individuellem Antrieb geleistet.

Die jetzt scheinbar sinkende Arbeitslosigkeit ist nach einhelliger Einschätzung der AfA Augenwischerei, da diejenigen, die sich in „Maßnahmen“ befinden, prekäre Beschäftigen haben und / oder ihr Einkommen aufstocken müssen, nicht mitgerechnet werden. Es ist ein Unding, dass Menschen die Vollzeitarbeiten, z.T. noch auf ergänzende Transferleistungen angewiesen sind, kritisiert Kosiolek-Sakuth. Und ein Sozialsystem, dass sich überwiegend aus den Beiträgen der abhängig Beschäftigten finanziert, ist binnen kürzester Zeit nicht mehr finanzierbar, ist sich die AfA sicher.

Der Gedanke des BGE definiert dagegen die „soziale Marktwirtschaft“ neu. Statt eines Wohlfahrtsstaates, der zwar vorgibt, gleiche Bedingungen für alle zu garantieren, jedoch defizitär orientiert ist und damit den eigenen Anspruch auf den Kopf stellt, schafft das BGE eine grundlegende Sicherung für alle und damit erst die Möglichkeit, sich eigenverantwortlich in die Gesellschaft einzubringen..

Voraussetzungen sind dabei der Erhalt der öffentlichen Daseinsvorsorge,, d.h. der ungehinderte Zugang aller Menschen zu Bildung, Kultur und Gesundheitsvorsorge, die Unterstützung gesellschaftlich „nützlicher“ Tätigkeiten, z.B. über einen 2. Arbeitsmarkt, Reformen in der Steuergesetzgebung und die Regelung der Zuwanderung. Die Rolle der Agentur für Arbeit bzw. der Jobcenter würde in diesem Zusammenhang neu definiert. Statt eines unmenschlichen Systems aus Zwang zur Arbeit und Sanktionen aufrecht zu erhalten, könnten Menschen qualifiziert und – zumindest auf dem 2. Markt – in Arbeit vermittelt werden.

Damit wären das undurchschaubare Netz aus verschiedenen Transferleistungen, wie ALG II, Sozialhilfe, Grundsicherung, Bafög und Kindergeld überflüssig. Dies beantwortet zum Teil schon die zentrale Frage nach der Finanzierbarkeit des BGE. Dazu würde die gerechte Besteuerung jedes Einkommens diese Idee der Umverteilung ermöglichen.

Kritik aus den eigenen Reihen der SPD, dass politische Fantastereien Reformen blockieren würden, weist die AfA zurück. Es sei genau umgekehrt: das Festhalten an längst Überholtem verhindere eine echte Lösung der drängenden gesellschaftspolitischen Fragen.

Die gefährliche Illusion des

Grundeinkommens

Es würde die Arbeitnehmer schwächen und zum Abbau des Wohlfahrtsstaates beitragen.

Von Anna Coote 

Wenn eine Idee die Fantasie der Öffentlichkeit anregt, können Experten und Politiker ihr nur schwer widerstehen. Auch, wenn sie von keinerlei Erfahrungswerten gestützt wird. Auch, wenn sich bei näherem Hinsehen herausstellt, dass ihre Umsetzung kontraproduktiv oder gar unmöglich wäre.

Was bei solchen Ideen zählt, ist die Bühne, die sie ihren Befürwortern bereiten, die Energie, die sie freisetzen und die Wählerstimmen, die sich mit ihnen gewinnen lassen. Ein Beispiel dafür ist der Brexit. Auch Donald Trumps mexikanische Mauer gehört dazu. Und als drittes würde ich das bedingungslose Grundeinkommen (BGE) hinzufügen – also den Vorschlag, dass jeder Bürger, ob er arbeitet oder nicht, von der Regierung pauschal eine wöchentliche oder monatliche Zahlung erhält.

Milliardäre für das Grundeinkommen

Das BGE steht immer stärker in der Kritik. Aber der Hype, es weltweit in Ländern und Städten ausprobieren zu wollen, ist ungebrochen. Dass diese Entwicklung gegenüber kritischen Stimmen immun zu sein scheint, ist bedenklich. Und die Tatsache, dass sich Radikale von beiden Enden des politischen Spektrums für das BGE stark machen, sollte eigentlich sämtliche Alarmglocken läuten lassen.

Wie Daniel Zamora argumentiert, ist dies eine Idee, deren Zeit gekommen ist – aber nicht, weil sie gut oder praktikabel wäre, sondern weil sie dem Zeitgeist entspricht. Er schreibt: „Während die Politik nach rechts driftet und die sozialen Bewegungen in die Defensive geraten, ist das BGE auf dem Vormarsch … nicht als Alternative zum Neoliberalismus, sondern als eine Kapitulation vor ihm.“

Wir müssen, wie auch fast alle seiner Befürworter, davon ausgehen, dass ein solches Grundeinkommen nur sehr niedrig sein könnte. Selbst die Zahlungen des großzügigsten BGE- Programms, das von der britischen Aktionsgruppe Compass vorgeschlagen wird, liegen deutlich unterhalb der Armutsgrenze. Dies bedeutet, dass Menschen, die nicht arbeiten können, zusätzliche Zahlungen erhalten müssten – was das viel zitierte Versprechen zunichte macht, ein BGE würde das soziale Sicherungssystem vereinfachen und das Stigma der Antragstellung wegfallen lassen.

Ein bezahlbares BGE würde nicht ausreichen und ein ausreichendes BGE wäre nicht bezahlbar.

Was das Grundeinkommen zu bieten hätte, wäre lediglich eine geringfügige Erhöhung der Grenze, oberhalb derer dann weitere – von Bedingungen abhängige – Zuwendungen erforderlich wären. Und sogar dafür würden wir, um es bezahlen zu können, massive Steuererhöhungen benötigen. Kurz gesagt: „Ein bezahlbares BGE würde nicht ausreichen und ein ausreichendes BGE wäre nicht bezahlbar.“

Warum also sollen wir etwas einführen, das der britische Ökonom Ian Gough eine „mächtige neue Steuerzahlmaschine, um einen ziemlich kleinen Karren zu ziehen“ nennt? Wessen Interessen würde dies wirklich dienen?

Leere Versprechen

Das BGE ist eine individualistische Geldintervention, die die soziale Solidarität untergräbt und nichts gegen die zugrunde liegenden Ursachen von Armut, Arbeitslosigkeit und Ungleichheit ausrichten kann. Denn dies sind systembedingte Probleme, die von den Menschen gelöst werden müssen, indem sie zusammenkommen und gemeinsam die Kontrolle über die lokale wirtschaftliche Entwicklung, die Lohnverhandlungen und die nationalen Investitionen in Industrie und Infrastruktur übernehmen. Regierungen, die den Menschen kleine Geldbeträge geben, machen dabei keinen Unterschied.

Die linken Befürworter des BGE Nick Srnicek und Alex Williams behaupten, es würde die „Asymmetrie der Macht zwischen Arbeit und Kapital beseitigen, indem es die Arbeit von ihrer Eigenschaft als Ware löst und die zwanghaften Aspekte bezahlter Arbeit lockert“. Aber die Sache hat einen Haken: Dies wird nur geschehen, sagen sie, wenn das BGE „für ein

ausreichendes Einkommen sorgt, um davon leben zu können“. Wie wir gesehen haben, ist dies nicht annähernd möglich. Reicht das BGE nicht aus, um eine Arbeit ablehnen zu können, kann es nur die Löhne drücken und zu immer mehr schlechten Arbeitsplätzen führen (die man immer noch nicht ablehnen kann).

Der Abschied vom Wohlfahrtsstaat

Die Idee, Einzelpersonen Geld zu geben, passt zu der neoliberalen Behauptung, Dienstleistungen seien besser, wenn sie von Märkten bereitgestellt und von zahlenden Kunden nachgefragt werden. Tatsächlich wird das BGE bei Pilotprojekten in Ländern ohne kostenlose öffentliche Dienstleistungen oft dazu verwendet, grundlegende Güter wie Ausbildung und Gesundheitsleistungen zu kaufen.

Einer der gefährlichsten Aspekte dieser „radikalen“ Idee besteht allerdings darin, dass sie dazu beitragen kann, den Wohlfahrtsstaat abzubauen – indem sie die Ideologie der Privatisierung und Monetarisierung fördert und große Geldbeträge aus den öffentlichen Kassen abzieht. Aber kollektiv bereitgestellte öffentliche Dienstleistungen, die je nach Bedarf von allen abgerufen werden können, bieten ein viel besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als kommerzialisierte Dienste. Sie wirken mit größerer Wahrscheinlichkeit integrativ und egalitär und fördern eher die Solidarität. Außerdem stellen sie ein erhebliches virtuelles Einkommen dar, das stark umverteilend wirkt. Laut der Wohlfahrtsorganisation Oxfam verringert diese Art von „Sozialeinkommen“ die Einkommensungleichheit um 20 Prozent.

Von der Wiege bis zur Bahre

Viel überzeugender als ein BGE ist die Idee der „UGD“, also der „universellen grundlegenden Dienstleistungen“, die momentan von Ökonomen des Global Prosperity Institute der Universität von London entwickelt wird. Ihr Ziel besteht in „öffentlichen Dienstleistungen, die es allen Bürgern ermöglichen, ein besseres Leben zu leben“, ihnen also Zugang zu Teilnahmemöglichkeiten, Sicherheit und Chancen bieten. Dies geht über das Ausbildungs- und Gesundheitswesen hinaus und umfasst auch Transportmittel, Informationen, Unterkunft und Nahrungsmittel – Güter, die allgemein „als grundlegend für die vollständige Teilnahme an einer modernen, entwickelten Volkswirtschaft betrachtet werden“.

Durch technische Analysen kamen die Forscher zu dem Ergebnis, dass der Zugang zu Dienstleistungen bereits durch ziemlich geringe Anpassungen des Steuersystems finanziert werden kann. Auf diese Art werden die Bedürfnisse der untersten Einkommensschichten direkter befriedigt und „bei gleichem Geldeinsatz grundsätzlich größere Werte geschaffen als durch Geldverteilung“. Solche Reformen würden „über die gesamte Volkswirtschaft hinweg Mehrwert erzeugen, neue Aktivitäten anregen und den zu verteilenden ‚Kuchen’ vergrößern“. Dadurch, dass die Unterstützerbasis des BGE wächst, blockiert sie politische Energie, die dringend für vernünftigere Ziele benötigt wird.

Viele linke Unterstützer des BGE behaupten, auch sie wollten die öffentlichen Dienstleistungen verteidigen. Allerdings kümmern sie sich nicht darum, wie diese Dienstleistungen gestärkt oder verbessert werden können. Sie ignorieren die offensichtliche Gefahr, dass lediglich Geld von einer Tasche in die andere wandert, ohne etwas Positives zu bewirken. Und dadurch, dass die Unterstützerbasis des BGE wächst, blockiert sie politische Energie, die dringend für vernünftigere Ziele benötigt wird.

Täuschend einfach

Es gibt machbare Alternativen, die – in philosophischer, wirtschaftlicher und politischer Hinsicht – viel besser dazu geeignet sind, die Probleme von Armut und Ungleichheit zu lösen. Beispielsweise sollten wir uns für garantierte Mindestlöhne einsetzen – gemeinsam mit großzügigerer Förderung von Kindern und einem Entlohnungssystem für Pflegepersonal. Letzteres könnte auf dem Prinzip von Zeitkonten beruhen, mit denen die Zeit, die für die Pflege anderer Menschen aufgewendet wird, im Gegenzug auf die eigene Rente oder eigene Pflegekosten angerechnet werden kann. Unsere öffentlichen Dienstleistungen, die durch Sparmaßnahmen massiv gefährdet sind, müssen wir dringend verteidigen. Aber leider lockt das vermeintliche Wundermittel einer täuschend einfachen Idee den Blick der Öffentlichkeit in eine andere Richtung.

Ein BGE kann, wenn es auch nur annähernd durchführbar sein soll, nicht dazu beitragen, Arbeitern durch die Möglichkeit gemeinsamen Verhandelns mehr Kontrolle zu geben – also die Fähigkeit, ihre Löhne und Arbeitsbedingungen zu verbessern. Es würde den Arbeitgebern keinerlei Anreize dafür bieten, gerechte Löhne zu zahlen oder die Unterschiede innerhalb der Hierarchie am Arbeitsplatz zu verringern. Und es wäre nicht in der Lage, die Machtverhältnisse zwischen Arbeit und Kapital zu ändern.

„Bedingungslose“ Zahlungen im Rahmen eines BGE würden die Armut oder Unsicherheit nicht abschaffen. Sie würden lediglich der hart erarbeiteten sozialdemokratischen Tradition der öffentlichen Dienstleistungen schaden, die für alle Bedürftigen zur Verfügung stehen. Und tatsächlich würden sie dem modernen Kapitalismus kein Haar krümmen.

Kein Wunder, dass diese Idee bei den Konzernchefs von Silicon Valley so beliebt ist. In ihrer Welt, wo Automatisierung das Gebot der Stunde ist, glauben sie, dass ihre Interessen am besten durch fügsame Bürger bedient werden, die ihren Chefs nicht im Wege stehen und lediglich genug Geld haben, um weiter konsumieren zu können. Und was könnte dabei attraktiver sein als eine Regierung, die zusätzliche öffentliche Gelder dafür ausgibt, um niedrige Löhne und das nachlassende Angebot von gering bezahlten Jobs zu subventionieren?